Chronik Oberfischach

seit 1879
Oberfischach war in der glücklichen Lage, einen Heimatforscher am Ort zu haben. Karl Bernlöhr, der erst vor wenigen Jahren verstorben ist, hat Jahrzehnte intensive Heimatforschung betrieben. Aus seinem "Schatzkistle" stammen verschiedene Ortschroniken, die diesem kleinen Auszug zugrunde liegen. Sie soll aufzeigen, wie aus einer Jahrhunderte alten Geschichte das Heute gewachsen ist. Manche belächeln vielleicht die "gute, alte Zeit". Andere sehen sie durch eine rosarote Brille und meinen: "Früher, ja, da war eben alles besser". Gute und schwere Zeiten gab es durch alle Jahrhunderte!  Die beiden großen Weltkriege von 1914 - 1918 und 1939 - 1945 haben viele Familien - auch in unserer Heimat - in Trauer und Verzweiflung gestürzt. Unsere Generation blieb glücklicherweise vom Krieg verschont, doch sind heute Schlagworte wie Arbeitslosigkeit, drohende Atomunfälle und Angst vor Kriegen, Bauernsterben, unsichere Renten usw. Themen, die uns alle beschäftigen.  Diese Ortschronik ist von Oberfischach. Aber nicht nur für Oberfischacher, sondern auch für unsere Gäste. Sie sollen dadurch zum einen Oberfischach kennen lernen, zum andern aber auch ermuntert werden, ihre eigenen Wurzeln zu suchen und zu verstehen. Tatsache ist, dass wir ohne die frühere Zeit heute nicht da stünden, wo wir sind. Alte Texte, Zahlen und Bilder lassen uns den Weg und die Schritte zum Heute erst richtig entdecken und begreifen.  Die Obersontheimer Teilgemeinde Oberfischach mit ihren Teilorten Herlebach und Rappoltshofen - dazu Benzenhof, Röschbühl, Beutenmühle und Mühlhof- liegt auf 417 m Höhe, umgeben von den Wäldern der Limpurger Berge. Von den 1565 Hektar Gesamtfläche ist ein Teil Landschaftsschutzgebiet. Die Gesamtgemeinde Obersontheim hat 4839 Einwohner, davon sind 672 Oberfischacher. Der Strukturwandel hat auch vor Oberfischach nicht Halt gemacht. Nur noch wenige Vollerwerbslandwirte bewirtschaften ihre Höfe. Siedlungen sind in Oberfischach und Herlebach entstanden. Schule, Rathaus, Kaufladen, Bank und Gaststätte - seit ewigen Zeiten Kommunikationsstätten der Dorfbewohner - sind aus dem Ort verschwunden.  Umso wichtiger für die Menschen ist das aktive Vereinsleben und die gute Zusammenarbeit zwischen Kirche und Vereinen. Es gibt viele Freizeitangebote von evangelischer Kirchengemeinde, Schützenverein, Freiwilliger Feuerwehr, Landfrauenverein und nicht zuletzt vom Gesangverein mit seinen vier Chören. Regelmäßige Feste wie das Schützenfest am Siebersberg, das Hundsrückenfest der Feuerwehr, das Erntedankfest der Kirchengemeinde oder das Lindenfest des Gesangvereins sind beliebte Treffpunkte für Jung und Alt aus der näheren Umgebung.  Blicken wir zurück: So reizvoll die landschaftliche Lage unseres Fischachtals ist, so besiedlungsfeindlich war unser nasskaltes Keupergebiet. Aus der mittleren Steinzeit, 10000 - 4000 v. Chr., wurden bei Herlebach im Flur "Berg" zwei Steinwerkzeuge gefunden. Ganz in der Nähe sind noch drei Hügelgräber aus der Metallzeit, 1600 - 500 v. Chr., erhalten. Das Fischachtal ist vermutlich im 7. bis 8. Jahrhundert von den Karolingern besiedelt worden. Eine erste urkundliche Erwähnung findet Herdlibach, das heutige Herlebach, als Bischof Balderich von Speyer 978 Güter an den Kleriker und Diakon Wulfoald abtritt.  Villa Viscaha - unter diesem Namen wurde Oberfischach 1090 zum ersten Mal erwähnt. Ein Villa Viscaha kam als Schenkung an Comburg. 1095 übergab Heinrich von Mulfingen predium suum Viscaha et Bennenhofen dem Kloster. Die Kilianskirche Oberfischach wurde 1285 erstmals in der Würzburger Pfarrbeschreibung genannt. Es soll eine Wallfahrtsstätte gewesen sein und an der Stelle des heutigen Pfarrhauses soll ein Klösterlein gestanden haben. Der Turm des Gotteshauses von 1683 zählt zu den ältesten romanischen Kirchtürmen Württembergs. Rappoltshofen wird 1299 erwähnt, als Kraft von Heimberg dem Kloster einen Hellerzins aus hiesigen Gütern schenkte. Nachdem die Verschuldung des Klosters Comburg immer größer wurde, verkaufte es auch Oberfischacher Boden an die Abtei Ellwangen. Die Inkorporation der hiesigen Kirche nach Ellwangen wurde am 12. Juli 1379 von Kardinal Pilens bestätigt.  Neben Comburg hatten auch andere Herren hier Besitz. Das limpurgische Rittergeschlecht, das im 14. Jahrhundert noch seinen Stammsitz auf der Limpurg bei Schwäbisch Hall hatte, kaufte zuerst einzelne Höfe im Fischachtal. Nach und nach erwarben die Schenken Limpurg immer mehr Güter im Fischachtal, erst recht, als sie 1541 in das Obersontheimer Schloss umzogen. Aufgemuntert durch das Beispiel und die Nähe von Schwäbisch Hall, wo in dieser Zeit der Reformator Johannes Brenz wirkte, wurde unser Dorf 1555 evangelisch. Schenk Friedrich VII bestätigte die evangelische Kirchenordnung.  Eine Schule in Oberfischach wird bereits 1535 erwähnt. Großbrand in Oberfischach! Am 4. September 1634, als kaiserliche Soldaten nach der Schlacht bei Nördlingen in Oberfischach lagerten, wurden angeblich durch Unachtsamkeit Kirche, Pfarrhaus, drei Wohnhäuser und mehrere Scheunen Raub der Flammen. Die Kilianskirche wurde wieder aufgebaut und 1683 eingeweiht. Noch heute zeigt sie sich in ihrer romanischen Schönheit.  Bei der Landesteilung 1774 wurde Oberfischach von der Herrschaft Obersontheim getrennt und der Herrschaft Löwenstein - Wertheim - Freudenberg zugeteilt. Alle comburgischen und ellwangischen Güter fielen 1802/03 an das Königreich Württemberg, die Grafschaft Limpurg kam 1806 dazu. In den Jahren zuvor hatte jeder Grundherr seinen eigenen Schultheißen, je nach dem, ob er der comburgischen, limpurgischen oder ellwangischen Herrschaft unterstand. Im Jahr 1806 bekamen die drei Orte Oberfischach, Herlebach und Rappoltshofen ihren ersten gemeinsamen Schultheiß Johann Michael Schien, der bereits seit 1785 limpurgischer Schultheiß war.  Nach den Kriegen 1866 und 1870/71 kam ein gewisser Wohlstand auf und brachte auch für unser Dorf manches Neue. Schulhaus und Rathaus wurden 1887 gebaut, das Kircheninnere 1892 umgebaut. Der "Stern"-Wirt Horlacher eröffnete 1823 eine eigene Brauerei. Das dem Oberamt Gaildorf unterstellte Oberfischach kam im Jahr 1938 zum Landkreis Schwäbisch Hall.  Die beiden großen Weltkriege 1914-1918 und 1939-1945 brachten großes Leid in die Gemeinde. 64 meist junge Männer kehrten nicht mehr in unser Dorf zurück. Am 26. März 1942 mussten die Glocken der Kilianskirche und die Glocken von Herlebach und Rappoltshofen abgeliefert werden. Gegossen 1923 für den Frieden - eingeschmolzen 1942 für Waffen. Der 17. und 21. April 1945 waren Tage des Grauens. Tiefflieger zerstörten sieben Bauernhöfe. Viele harte Jahre folgten, in denen aus Schutt und Asche durch fleißige Hände wieder eine schmucke Ortschaft entstand.  Am 24. März 1972 wurde unter großer Beteiligung der Bevölkerung die neue Gemeindehalle mit angeschlossenem Bankgebäude eingeweiht. 1972 - das Jahr der Gemeindereform. Kleinere Ortschaften wurden in größere integriert, u. a. um den Verwaltungsaufwand zu verringern und eine bessere Ausnutzung von Gebäuden zu gewährleisten. In Oberfischach wurde diskutiert, ob man sich Vellberg oder Obersontheim anschließen sollte. Schließlich fiel die Wahl auf Obersontheim. Am 1. April 1972 war es für Oberfischach soweit: aus der selbstständigen Gemeinde Oberfischach wurde die Teilgemeinde Obersontheim - Oberfischach!  Große Unruhe 1991 im Fischachtal: Der Landkreis Schwäbisch Hall suchte einen Standort für eine neue Mülldeponie. Die Forstebene, 1250 Meter von Herlebach entfernt auf Obersontheimer Markung, wurde als einer von drei möglichen Standorten von Stuttgarter Ingenieuren vorgeschlagen. Eine Bürgerinitiative wurde gegründet. Gott sei Dank verlief die Geschichte im Sand. Gott sei Dank verlief die Geschichte im Sand ...?  Nein, diese Episode ist im Sand verlaufen. Die Geschichte wird nie im Sand verlaufen. Sie ist Fakt, an der niemand weder rütteln noch sie ändern kann. Man kann sie mit anderen Worten wiedergeben, aber ändern kann man sie nicht mehr.  Wir schreiben das Jahr 2011. Niemand redet mehr über die Mülldeponie, die einst bei Herlebach geplant war.Das Ortsbild in Oberfischach hat sich verändert.Die Hofstelle Schäfer, einst Blickpunkt in der "scharfen Kurve" ist einer besser ausgebauten Straße mit Gehweg gewichen Das legendäre Gasthaus Schuh, von den Einheimischen liebevoll "Schlappen" genannt,wurde abgerissen. Die letzte Wirtin Mathilde verstarb vor einigen Jahren. Hinter Festhalle und Kirche entstand die Rohräckersiedlung.  Rappoltshofen und Herlebach bekamen ebenfalls neue Ortsdurchfahrten. Ein neues "Gespenst" bringt Unruhe in den Ort: die örtlichen Feuerwehren sollen abgeschafft werden...   Zusammengestellt & vervollständigt: Rosemarie Krockenberger
Gesangverein Oberfischach 2024